Der ãEngel des HerrnÒ

 

Eine Betrachtung bei der Quatember Besinnung der K. A. am Quatember Samstag

in der Pfingstwoche, 31. Mai 1958

 

 

Wenn die letzten Quatemberbesinnungsstunden immer dazu benŸtzt worden sind, um Sie, liebe BrŸder und Schwestern in Christus, in den Gebetsschatz der Hl. Schrift und der Liturgie einzufŸhren, und wenn ich so bisher zu Ihnen gesprochen habe Ÿber den Psalm Miserere, den Bu§psalm des kšniglichen SŸnders David, Ÿber da Magnificat, den Hochgesang dankbaren Gotteslobes aus dem Munde der brŠutlichen Gottesmutter, dann Ÿber das Gloria der Hl. Messe, sein geschichtliches Werden und seinen Inhalt und zuletzt Ÿber das Gebet des Herrn, das Vaterunser, so mšchte ich heute die Betrachtung Ÿber ein recht volkstŸmliches, der hl. Schrift entstammendes liturgisches gebet sprechen, das wieder viel mehr unsere Beachtung verdienen wŸrde: Es ist der ãEngel des HerrnÒ mit dem dreimaligen GebetlŠuten am Morgen, Mittag und Abend jeden Tages.

Vielleicht ist es allzu bescheiden, vor diesem erlesenen Kreis Ÿber dieses Gebet zu sprechen. Aber vielleicht hei§en Sie mein Vorhaben doch gut, wenn Sie meine AusfŸhrungen gehšrt haben.

Wer betet denn heute noch den ãEngel des HerrnÒ? Die Zeit, wo man das tat, liegt doch schon so weit zurŸck?! Ja und nein. Ja, insofern, als leider die Zeit tatsŠchlich schon sehr weit zurŸckliegt, in der man sich um das GebetlŠuten auch in aller …ffentlichkeit gekŸmmert und sich nicht geschŠmt hat, beim LŠuten der Glocken auch auf der Stra§e den Hut abzunehmen und zu beten. Ja und nein! Nein, insofern, als die Zeit, in der man den ãEngel des HerrnÒ gebetet hat, nicht vorŸber ist, sondern neu begonnen hat. Es gibt heute sogar so etwas wie eine ãAngelus-BewegungÒ. Und in diese Bewegung mšchte ich so gerne, dass viele auch in unserer Stadt hineingerissen wŸrden.

Die Kath. Jugend der Deutschen Bundesrepublik hat 1947 den verpflichtenden Beschluss gefasst, dass ihr gemeinsames Bundesgebet, das alle Angehšrigen der DKJ morgens, mittags und abends geistig vereint, der ãEngel des HerrnÒ sein soll. Kardinal Joseph Frings von Kšln hat dann 1956 auf dem gro§en deutschen Katholikentag in Kšln im Anschluss an das Apostolische schreiben von Papst Pius XII. ãDum maerenti animoÒ vom 29. Juni 1956 zum 500-Jahr-JubilŠum des MittagslŠutens die deutschen Katholiken insgesamt dazu aufgerufen, den ãEngel des HerrnÒ fortan wieder eifrig und andŠchtig fŸr die verfolgten GlaubensbrŸder der Schweigenden Kirche des Ostens zu beten. Dieser Aufruf des Kšlner Kardinals fand in Rom starke Beachtung und lšste ein mŠchtiges Echo aus, das sich beispielsweise in einer Reihe von Artikeln im Osservatore Romano, der offizišsen Tageszeitung des Hl.  Stuhles kundgab. Der Papst selbst nahm dann in dieser ãAngelusÒ-Bewegung die Initiative in die Hand, als er – eingedenk der Tatsache, dass die seligste Jungfrau Maria vor 100 Jahren der hl. Bernadette erstmals zur Zeit des mittŠglichen Engel-des-Herrn-LŠutens am 11. Februar 1858 erschien – das Lourdes-JubilŠumsjahr ganz bewusst dadurch einleitete und feierlich eršffnete, dass er durch den Rundfunk nach  Lourdes und in die weite Welt zu Mittag des 11. Februar dieses Jahres den ãEngel des HerrnÒ ausstrahlte.

So kommt es mir von diesen †berlegungen her berechtigt vor, einmal Ÿber Geschichte, Sinn und Bedeutung des ãEngel des HerrnÒ und des dreimaligen GebetlŠutens am Morgen, Mittag und Abend, das wieder viel mehr unsere Beachtung verdiente, die Betrachtung bei dieser Quatemberbesinnungsstunde anzustellen. Heute abends, am Ende der šsterlichen Zeit, fŠngt ja die Kirche wieder offiziell an, den ãEngel des HerrnÒ zu beten, nachdem er in der šsterlichen Zeit durch die Antiphon ãRegina coeliÒ verdrŠngt war.

†berdies ist der heutige 31. Mai – wenigstens kalendermŠ§ig – ein schšner Marienfeiertag, weil bekanntlich seit drei Jahren am letzten Tag des Marienmonats Mai das Fest Maria Kšnigin gefeiert wird. Auch wenn diesmal das fest verschoben wird und liturgisch am heutigen Tag nur der Pfingstquatembersamstag begangen wird, so legt doch dieser letzte Maientag im Lourdes-JubilŠumsjahr die Behandlung eines marianischen Themas in unserer Quatemberbesinnung nahe.

Sehen wir uns also das Gebet des ãEngel des HerrnÒ, seine Geschichte und seine Bedeutung nŠher an mit dem Ziel, uns selbst wieder mehr fŸr diese schšne Form der Tagesweihe am Morgen, Mittag und Abend an den menschgewordenen Sohn Gottes und seine jungfrŠuliche Mutter zu begeistern und andere dafŸr zu gewinnen. Denn diese kurze Gebetspause am Morgen und Mittag und Abend jeden Tages tŠte uns bei der Hast und Unruhe unserer Zeit – wir leiden ja alle an der gefŠhrlichen Angina temporis – so gut, um uns nicht ganz ins Irdische und Materielle z u verlieren.

Wie der ãEngel des HerrnÒ zum GebetlŠuten am Morgen, Mittag und Abend gebetet wird, brauche ich Ihnen nicht erst zu sagen. Im neuen ãLexikon der MarienkundeÒ (Verlag Friedrich Pustet, Regensburg, 2. Lieferung 1958, Sp. 217) wird der ãEngel des HerrnÒ (nach seinem lateinischen Anfang: ãAngelusÒ oder ãAngelus DominiÒ) so definiert: Der ãEngel des HerrnÒ besteht aus drei beim Angelus-LŠuten gebeteten Ave Maria nach je einem auf die Menschwerdung Gottes bezŸglichen Text, enthaltend die Engelsbotschaft (Lk 1,28-35), die Einwilligung Marias (Lk 1,38) und die Menschwerdung Gottes (Joh 1,14) und lautet: ãAngelus Domini nuntiavit Mariae (Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft) – R. Et concepit de Spiritu Sancto (Und sie empfing vom Hl. Geist) Ave Maria etc. Ecce ancilla Domini (Maria sprach: Sieh, ich bin die Magd des Herrn) – R. Fiat mihi secundum verbum tuum (Mir geschehe nach deinem Worte). Ave Maria etc. Et  Verbum caro factum est (Und das Wort ist Fleisch geworden) – R. Et habitavit in nobis (Und hat unter uns gewohnt). Ave Maria etc.

Dazu gehšrt noch im offiziellen, kirchlichen Wortlaut der erst spŠter hinzugefŸgte Versikel ãOra pro nobis sancta Die Genitrix (Bitte fŸr uns, hl. GottesgebŠrerin) – R. Ut digni efficiamur promissionibus Christi (Dass wir wŸrdig werden der Verhei§ungen Christi. Und die Oration: Oremus. Gratiam tuam, quaesumus, Domine, metibus nostris infunde, ut, qui Angelo nuntiante, Christi Filii Tui incarnationem cognovimus, per passionem Ejus et crucem ad resurrectionis gloriam perducamur. Per eundem Christum Dominum Nostrum.

Lasset uns beten: Wir bitten dich, o Herr, gie§e deine Gnade in unsere Herzen ein. Durch die Botschaft des Engels haben wir die Menschwerdung Christi, deine Sohnes, erkannt; fŸhre uns durch sein Leiden und Kreuz zur glorreichen Auferstehung. Durch Christus unseren Herrn.

Diese genaue Gebetsform, die in der šsterlichen Zeit, wie schon gesagt wurde, offiziell durch die šsterliche Marienantiphon Regina coeli ersetzt wird, ist das Letzte in der Entwicklung des ãEngel des HerrnÒ. Am Anfang steht einfach – ohne fixe Form – das gebetlŠuten mit der Aufforderung, der Menschwerdung Gottes dankbar zu gedenken. Und zwar beginnt die Geschichte des Engel des Herrn mit dem AbendlŠuten. Dann folgen das MorgenlŠuten und schlie§lich das MittaglŠuten.

 

  1.             Das AbendlŠuten:

Es geht wohl bis ins 10. Jahrhundert zurŸck und zwar ursprŸnglich als klšsterliche †bung, nach dem kirchlichen Abendgebet (Komplet) wŠhrend eines (schlagweisen) GlockenlŠutens noch einige Gebete gemeinsam zu verrichten. Diese Gebete waren als Gru§ an die jungfrŠuliche Mutter des Herrn gedacht. Dreimal lŠutete dabei die Glocke mit kurzen Unterbrechungen jeweils ein Ave Maria lang. Hier spielte dann die Ansicht der frŸhmittelalterlichen Theologen herein, dass der Engel Gabriel nach dem Bericht des Lukasevangeliums wohl in der Abendstunde Maria die Botschaft gebracht habe, dass sie Mutter des Sohnes Gottes werden solle. So wurde sehr frŸh dieses abendliche GebetlŠuten zu einem GedŠchtnis an die Menschwerdung Gottes unter dem jungfrŠulichen Herzen Mariens. Im 13. Jahrhundert scheint dieser klšsterliche Brauch auch bei den Laien Eingang gefunden zu haben, gefšrdert vor allem durch die Franziskaner. Der hl.  Bonaventura schrieb als Ordensgeneral des Franziskanerordens auf dem Ordenskapitel zu Pisa im Jahre 1263 vor, dass ãdie BrŸder in ihren Predigten das Volk anleiten sollten, beim LŠuten der Glocken zur Stunde der Komplet mehrmals die seligste Jungfrau zu grŸ§en, da dies nach der Meinung einiger erlauchter Lehrer gerade die Stunde war, da sie vom Engel gegrŸ§t wardÒ. So wurde dieser abendliche Gru§ an Maria zur Stunde der VerkŸndigung zwischen DŠmmern und Dunkeln im Anschluss an die kirchliche Komplet der Ordensleute zur Komplet des glŠubigen Volkes. Dieses abendliche GebetlŠuten finden wir im ausgehenden 13. Jahrhundert bereits in Tirol bezeugt, dann in Oberitalien (Mailand, Lodi), schlie§lich in Ungarn, wo der ãAngelusÒ 1307 bereits Vorschrift wurde, dann in der Schweiz (Luzern) und Deutschland (Frankfurt am Main).Am 4. Oktober 1318 hat Papst Johannes XXII. In einem Brief die in vielen Kirchen Frankreichs verbreitete fromme †bung des ãAngelusÒ belobigt, 1327 hat er sie dann auch in Rom eingefŸhrt.

Mitte des 15. Jahrhunderts war dann der abendliche ãAngelusÒ schon in ganz Europa allgemein Brauch, ja sogar Vorschrift. Ein Erlass Kšnig Ludwigs XI. von Frankreich  vom 1. Mai 1474 forderte: ãAlle Franzosen, Vornehme wie Gemeine, sollen sich beim Schlag der Glocke niederknien, andŠchtig das Kreuz machen und zu Unserer Lieben Frau um den Frieden betenÒ. – Hier hšren wird, wie das abendliche GebetlŠuten nicht blo§ zum Gedenken an die Menschwerdung Gottes aus Maria der Jungfrau aufrief, sondern auch zum Gebet um den Frieden. Am Abend sollte es ruhig werden in einem  Haus, in einer Stadt. Feierabend sollte gemacht werden, das Tagewerk sollte beendet sein und Friede sollte einkehren bei den Menschen. Und dieses Wort vom Frieden im Sinn des Hl. Augustinus ãPax est tranquillitas ordinisÒ  verstand man dabei dann auch im weiten Sinn und so betete man um Frieden in der Welt, um Frieden all dort, wo er durch Feinde bedroht war. Alte deutsche Glockeninschriften weisen bereits auf diese Gebetsintention des abendlichen ãAngelusÒ  um den Frieden hin: ãO Rex gloriae, veni cum paceÒ. Vergessen wir hier nicht, dass ja die VerkŸndigungsstunde von Nazareth die gro§e ãSternstunde des FriedensÒ fŸr die ganze Menschheit war, die Stunde der EmpfŠngnis des FriedensfŸrsten, der die sŸndige Menschheit mit dem beleidigten Gott versšhnte und zwischen beiden wieder Frieden stiftete. ãFriede sei ihr erstÔ GelŠute!Ò Dieser Wunsch Friedrich Schillers in seinem ãLied von der GlockeÒ hat im abendlichen GebetlŠuten um den Frieden seinen Ursprung. (ErwŠhnt sei noch, dass dieses abendliche gebetlŠuten im Gedenken an die Menschwerdung Gottes und im Gebet um den Frieden an sich in keinem Zusammenhang stand mit dem bŸrgerlichen FeierabendlŠuten als Zeichen fŸr die Beendigung der Tagesarbeit und fŸr die Schlie§ung der Stadttore sowie als Aufforderung,, das Feuer im Hause auszulšschen, das sogenannte Ignitegium (Couvre-feu, im franzšsischen, Copri-fuoco im Italienischen), wie es im 11. Jahrhundert bereits in England, im 13. Jahrhundert in Frankreich und Deutschland Ÿblich war. Beides, das abendliche GebetlŠuten und das abendliche LŠuten als Aufforderung zum Lšschen des Feuers, ging dann freilich wohl bald ineinander Ÿber: abendliche Mahnung zur Besinnung im Gebet und abendliche Warnung, auf das Feuer achtzuhaben: Das Feuer war das kostbare, aber auch gefŠhrliche Gut im frŸhmittelalterlichen Hause. Die Glut musste bis z um anderen Morgen wach gehalten werden, zugleich aber musste sie auf der offenen Herdstatt zugedeckt werden, damit  sie nachts nicht aufloderte und etwa das ganze Haus oder gar die ganze Stadt in Gefahr brŠchte. Die Mahnung: ãDeckt das Feuer zu!Ò wurde im abendlichen GebetlŠuten zur Mahnung: Deckt durch wachsames Gebet das Feuer der Leidenschaft, der sinnlichen Lust und Begierlichkeit zu! Fleht im abendlichen Angelus die makellos Reine an, in der nicht die Glut der bšsen Begierlichkeit brannte, sondern das Feuer der Gottesliebe! ãO Gott, du hast die Feuerflammen den drei JŸnglingen in KŸhle verwandelt, gewŠhre gnŠdig, dass auch uns, diene Diener, nicht verzehre die Flamme der Leidenschaften!Ò)

  1.             Das MorgenlŠuten:

 Hat das glŠubige Volk im abendlichen AngeluslŠuten einen sinnigen Ersatz fŸr die kirchliche Komplet gefunden, so brauchte es auch einen volkstŸmlichen Ersatz fŸr die Prim und Laudes, das kirchliche Morgengebet und Morgenlob Gottes. So rief das AbendlŠuten nach der ErgŠnzung durch das MorgenlŠuten. Es kam im 14. Jahrhundert auf in Erinnerung an Maria, den ãMorgensternÒ an der Spitze aller Gestirne des neutestamentlichen Heilsgeschehens, wie Papst Bonifaz IX. 1390 es unterstrich in einem Schreiben an den Klerus in Bayern, den er mahnte, bei der ãMorgenršteÒ in allen Kirchen die Glocken zum Ave Maria lŠuten zu lassen nach dem in Rom bereits eingebŸrgerten Brauch. Das Šlteste Zeugnis fŸr dieses Angelus-LŠuten am Morgen haben wir in einer Vorschrift des Abtes Thomas I. von Monte Cassino (1285 – 1288), der bestimmte, der Sakristan solle die Glocken lŠuten zum Ave Maria am Morgen und am Abend.  In der Chronik von Parma von 1317 begegnet uns ebenfalls der ãAngelusÒ am Morgen in der Form eines dreimaligen Glockenzeichens mit dem Beten von 2 Paternoster und Ave Maria zu Ehren der seligsten Jungfrau und um Erhaltung des Friedens. 1322 finden wir dieses MorgenlŠuten in Spanien bezeugt, 1368 in Frankreich (auf der Synode von Lavour, Provinz Toulouse), 1399 in England. Von da an schrieben auch viele deutsche Dišzesen neben dem LŠuten am Abend ein solches auch am Morgen vor, z.T. auch mit Beten um den Frieden (z.B. in Breslau 1416, in Kšln und Mainz 1423).)

Wie sinnvoll ist doch dieser Gru§ an Maria und ihren gšttlichen Sohn am Morgen, am Beginn eines neuen Tages, gar wenn man sich dabei im Sinn des marianischen ãEcce ancilla Domini, fiat mihiÒ zur restlosen Bereitschaft bekennt, tagsŸber in allem, in Freud und Leid, bei Opfer, MŸhsal, Arbeit den Willen Gottes zu erfŸllen und das Tagewerk als Gottesdienst aufzufassen.

  1.             Das MittaglŠuten:

Es kam zuletzt erst auf, und zwar (trotz frŸherer Spuren, die z. B. in Prag bis 1386 zurŸckreichen, aber wohl anders als im Sinn eines mittŠglichen Angelus-LŠutens zu deuten sind.) erst im Jahre 1456, als Papst Callixtus II. mit seinem Apostolischen Schreiben ãCum his superioribus annisÒ vom 29. Juni 1456 das mittŠgliche GebetlŠuten offiziell vorschrieb, damit das Volk um Gottes Hilfe in der damaligen TŸrkengefahr bete. UrsprŸnglich nur in den von den TŸrken bedrohten LŠndern (…sterreich, Ungarn, Bšhmen, Kroatien) wurde das mittŠgliche GebetlŠuten bald auch in den nicht unmittelbar bedrohten Gebieten Europas Ÿblich, in Frankreich, in England, seit 1506 ist es auch aus Imola fŸr Italien bezeugt.

 

Papst Pius XII. hat 1956 mit seinem Apostolischen Schreiben ãDum maerenti animoÒ vom 29. Juni 1956 an das 500-Jahr-JubilŠum des mittŠglichen GebetlŠutens erinnert und hat damals die GlŠubigen der ganzen Weltkirche aufgefordert, beim Angelus zu Mittag vor allem an die Kirche des Schweigens hinter dem Eisernen zu denken, um nach dem Beispiel der Vorfahren gegen die šstliche Bedrohung von Gott Hilfe zu erbitten: Der ãEngel des HerrnÒ vor allem in der Mittagsstunde solle – so wŸnschte es Papst Pius XII. – das mŠchtige Friedensgebet der ganzen Christenheit, der vereinigte Gebetssturm fŸr die verfolgten und gemarterten Glieder des mystischen Leibes Christi sein!  Die Stimme des Papstes weckte damals vor Jahren in den Herzen vieler GlŠubiger warmes Echo. Mšge es auch bei uns so sein: Im Gedenken an den geheimnisvollen Beginn unseres Heiles bei der Menschwerdung Gottes im Scho§e der seligsten Jungfrau, die fŸr uns alle ihr demŸtiges Ja zur Erlšsung sprach, mšge Gott uns wieder Frieden schenken und Erlšsung von der drohenden Macht des Gottlosentums aus dem Osten. Der Angelus war einst das gro§e europŠische Gebet, das Gebet des bedrohten Abendlandes, und dieses Gebet hat schon Weltgeschichte gemacht und zwar in einem so eminenten Ma§e, dass man sagen kann, dass ohne dieses Beten und ohne den Geist, der durch dieses Beten damals geweckt worden ist, Europa nichts anderes geworden wŠre als eine Kolonie Asiens. Mšge es in unserer Zeit wieder so sein, dass dieses Gebet zusammen mit dem LŠuten der Glocken nicht blo§ christliche AtmosphŠre schafft in unserem Tagewerk und in der …ffentlichkeit unserer StŠdte und Dšrfer, sondern durch den Geist, den es weckt, mit beitrŠgt, dass die Menschen glŠubig zuversichtlich und friedvoll zusammenstehen, weil zuletzt das Gebet und der Geist, der dahintersteht, doch die grš§ere Gro§macht ist als die rohe Gewalt des gottlosen Materialismus.

Aber nicht blo§ auf die †bung dieser Gebetsform, sondern auch auf den Geist des Textes kŠme es an. Darum sei auch darŸber noch einiges gesagt:

Der ãEngel des HerrnÒ – in der Form, wie wir ihn heute beten, geht er zurŸck in das beginnende 16. Jahrhundert: wir finden den heutigen Wortlaut bereits 1560 in einem in Venedig gedruckten Katechismus, ebenso in dem von Pius V. herausgegebenen kleinen Offizium der Gottesmutter und 1577 bei Petrus Canisius – der ãEngel des HerrnÒ ist wie ein Compendium der christlichen Glaubenslehre, eine ganz knappe Volksbibel, ein Kurzkatechismus, in welchem uns berichtet wird, wie das ewige Wort Gottes auf unsere Erde herniederstieg und welche Antwort ihm durch die Vertreterin der ganzen Menschheit, durch die seligste Jungfrau Maria, zuteilwurde. Gott hat die sŸndige Menschheit nach ihrem schweren Fall nicht aufgegeben. Er hat sich ihrer erbarmt. Der Sohn Gottes selbst wollte einer aus uns werden, um fŸr uns zu sŸhnen, zu leiden, zu sterben. Er wollte aber Mensch werden aus einer Jungfrau. Diese aber sollte freiwillig dazu einstimmen. Sie tat es in vorbildlicher Weise, in so ergreifender Demut und in so heldenhafter, gro§mŸtiger Ergebung in den Willen Gottes, dass uns allen nichts anderes Ÿbrigbleibt, als ihr nachzusprechen, was sie gesagt: ãSiehe, ich bin die Magd des Herrn! Mir geschehe nach deinem WorteÒ Auf das hin vollzog sich im jungfrŠulichen Scho§e Mariens das Wunder der Menschwerdung Gottes. Die Erlšsung der Menschheit nahm ihren Anfang...

Dreimal erinnert uns die Glocke an dieses Geheimnis gšttlicher Allmacht und gšttlicher Liebe und an die demŸtige Bereitschaft und Opfergesinnung des reinsten und edelsten der Menschenkinder.

So wissen wir:

Am Morgen kŸndet uns der ãEngel des HerrnÒ die Frohbotschaft der Erlšsung. Wir sind als Erlšste berufen, Kinder des Lichtes zu sein.

Am Mittag gedenken wir des Kreuzesopfers Christi und bitten um Kraft, Gottes Willen allezeit in Liebe und gehorsam zu erfŸllen nach dem Beispiel der demŸtigen Magd des Herrn und nach dem Vorbild des Gottmenschen, der gehorsam geworden ist bis zum Tode, ja bis zum Tod am Kreuze.

Am Abend vertrauen wir uns ganz der Gemeinschaft mit Christus an, der immerdar bei uns ist und bei uns bleibt: Herr, bleibe bei uns, denn es will Abend werden... Wir schauen aus nach dem Ziel der Erlšsung, nach der ewigen, beglŸckenden Gemeinschaft mit Gott, fŸr die uns sie Auferstehung des Herrn Unterpfand ist.

Dieses dreimalige Bekenntnis zur Menschwerdung Gottes aus Maria der Jungfrau am Morgen, Mittag und Abend eines jeden Tages kšnnte, tŠglich erneuert, in uns allen den Sinn fŸr Gott, fŸr seine Grš§e, fŸr seine Kšnigsherrschaft, fŸr seine Allgegenwart, fŸr seine GŸte und Liebe in uns immer neu wecken und stŠrken.

Dieser tŠgliche dreimalige Angelus kšnnte in jeder Seele, in jeder Familie, in jeder Gemeinschaft ein Klima schaffen, in welchem das wŠchst, was Maria in der VerkŸndigungsstunde glŠubig froh in sich trug: die freudige Gewissheit des Emmanuel = Gott mit uns, die friedvolle Zuversicht: Er wird sein Volk erlšsen.., die tapfere Bereitschaft mitzuhelfen bei der Verwirklichung der Verhei§ung: Et regni ejus non erit finis! Auch psychologisch wŸrde die Glaubensfront durch dieses neu belebte Beten des Engel des Herrn (allein und in der Gemeinschaft) gestŠrkt gegenŸber dem Atheismus. Das schlichte, vertrauensvolle Gebet vor allem in den Familien wŸrde sich mŠchtig und wohltŠtig auswirken. Eine Familie, die noch gemeinsam betet, und wŠre es morgens, mittags und abends auch nur der ãEngel des HerrnÒ, die hŠlt auch zusammen und bricht nicht auseinander. Wenn wir uns eine Familie denken, die sich, Eltern und Kinder, beim Klang der Angelusglocke dreimal am Tag andŠchtig versammelt, um gemeinsam unter kurzer Betrachtung des VerkŸndigungsgeheimnisses den ãEngel des HerrnÒ zu beten, so wŠre das eine vorbildliche katholische Familie, die der Kirche und der Gesellschaft zum Nutzen gereichen wŸrde. Denn wie kšnnte man sich so oft im Geiste die liebwerte Gestalt der Gottesmutter und ihr leuchtendes Beispiel lebendig vor Augen stellen, ohne zu ihrer Nachahmung bewegt zu werden? Maria, die erhabener ist als alle Kreatur, die dabei aber so demŸtig war, dass sie nichts sein wollte als nur Magd des Herrn, und die so willig bereit war, in allem Gottes Willen zu erfŸllen, auch dort, wo er Leid und Opfer mit sich brachte, sie ist Mutter Gottes geworden, als sie vom Hl. Geist auf wunderbare Weise empfing und ist auch unsere Mutter geworden, bereit, uns in jeglicher PrŸfung und aller Angst zu Hilfe  zu eilen.

Welch mŠchtige Antriebe gehen davon auf die Seelen der Eltern aus zur ErfŸllung ihrer Pflichten und zur Weckung ihrer Aufmerksamkeit und FŸgsamkeit gegenŸber dem Willen Gottes in der Sorge um die rechte Erziehung ihrer Kinder ... Und welche Lehre fŸr die Liebe und den bereitwilligen und frohen Gehorsam auch bei den Kindern!

Da aber die Gesellschaft sich aus den Familien aus ihren Lebenszellen zusammensetzt, kann sie nichts anderes darstellen und wiederstrahlen, als die ZŸge und das geistige Klima der Familien. Von da her werden die Bedeutung der christlichen Formung der Familien und im Besonderen die Bedeutung des Familiengebetes sichtbar. Es wird darum notwendig sein, dass das christliche Volk bei all den vielen Heiligungsmitteln, die die Kirche ihm mit hoher Weisheit und mŸtterlicher Sorge anbietet, auch wieder zurŸckkehrt zur frommen †bung des Angelus-Betens. Die Stunde, die die Welt heute durchschreitet, ist ernst und entscheidungsvoll. Die Verwirrung der Geister und Herzen hat – was leider viel zu wenig beachtet wird –ihren Hšhepunkt erreicht. Wahrheit und Irrtum, Rechtschaffenheit und Laster, Hass und Liebe gelten bei vielen als gleichberechtigt. Ein dichter Schleier von Materialismus legt sich auf alle Dinge und vergiftet alle menschlichen und sozialen Beziehungen. Der Atheismus wird heute in ganzen Všlkern wie eine Kreuzzugsbotschaft verkŸndet, als Sieg des Menschen Ÿber Gott. Wie bedeutsam wŠre doch in dieser Situation der dreimal tŠglich neu wachgerufene Gedanke an Gott, an die Menschwerdung Gottes, an die gottgewirkte Erlšsung! Und an jenen Menschen,, der allein so in Ordnung und Harmonie geblieben ist, wie es dem ewigen Plane Gottes entsprach!

Und zu wem soll denn das christliche Volk inmitten aller €ngste und Bedrohungen seiner christlichen Substanz fliehen, wenn nicht eben zu Maria, der zartfŸhlenden Mutter aller Erlšsten, die zugleich aber auch die Siegerin in allen Schlachten Gottes, die Besiegerin aller HŠresie ist!?

Die Jahrhundertfeier der Erscheinungen Mariens in Lourdes sollte – nach dem Willen des Papstes – eine gŸnstige Gelegenheit sein, um in aller Herzen kraftvoll den christlichen Glauben und ein vorbildliches Leben wieder wachzurufen. Neben den anderen FršmmigkeitsŸbungen kšnnte zweifellos das Angelus-Beten seinen bedeutsamen Beitrag dazu leisten.

Dass doch der fried- und freudvolle Klang, der von der Hšhe unserer GlockentŸrme dreimal an jedem Tag Ÿber die Erde hallt, wieder wie in frŸheren Zeiten zur geistigen Sammlung aller edlen Seelen um Maria werde, damit sich wieder alle in Anbetung und Liebe vor Gott beugen, die gšttliche Hilfe fŸr die Nšte der Kirche, vor allem der verfolgten Kirche, die dem Anprall des hinterlistig vordringenden Atheismus zu erliegen droht, anrufen!

Tragen Sie, liebe BrŸder und schwestern in Christus, durch ihr Beispiel und ihr Wort dazu bei!

Venite audiamus! Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft! Er lŠsst sie immer noch an uns ergehen! Hšren wir darauf in der Bereitschaft Mariens.

Venite oboediamus! Maria sprach: siehe ich bin die Magd des Herrn...! Nicht blo§ auf Gottes Botschaft horchen, sondern auch ge-horchen in rechter Opferbereitschaft und Unterwerfung unter den Willen Gottes.

Venite adoremus! Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.

 

Kenner der Geschichte der Volksfršmmigkeit melden uns: Es gab in frŸheren Zeiten niemand, der nicht beim ersten Schlag des Englischen Gru§es, sei es in den HŠusern, sei es auf den Stra§en und Feldern sich zum Beten anschickte (stehend oder kniend), um Maria zu grŸ§en und zu bitten. Noch im 17., 18. Jahrhundert herrschte diese Sitte im katholischen Europa fast allgemein. Noch mitten im 19. Jahrhundert berichtet Msgr. Gaume, wie an einem Jahrmarkt in der NŠhe der PyrenŠen auf einmal gŠnzliche Stille auf dem ganzen Marktplatz eintrat: Alles betete. Es war Mittag. Das AngeluslŠuten.

Es ist anders geworden. Europa beten den Englischen Gru§ im Allgemeinen und besonders in den StŠdten nicht mehr.  Es ist anders geworden. Man ist feige geworden. Man betet noch – wenn es hochgeht – in der Kirche und im stillen KŠmmerlein, aber die Stra§e, die …ffentlichkeit kennt nicht mehr das Gebet. Der Laizismus hat dem ehemals christlichen Abendland  ein neues Gesicht gegeben, das Gesicht des Atheismus, der Welt ohne Gott. Die Glocke lŠutet zwar noch, aber sie finden kein Echo mehr  auf der Stra§e und auf den šffentlichen PlŠtzen.

Gewiss, das šffentliche Beten des Engel des Herrn war nicht der Katholizismus, aber es war ein Vorwerk seiner Festung. Es war eine gro§e UnterlassungssŸnde, so leichtfertig dieses altchristliche Brauchtum preiszugeben. Wer die Vorwerke nicht zu verteidigen wei§, wird bald auch die Festung Ÿbergeben. PrŠlat Robert MŠder, der verstorbene bedeutende Schweizer Publizist, meine einmal: ãMit unserem ehemals christlichen und marianischen Abendland ist es abwŠrts gegangen. Auf seiner Zitadelle, auf seinen RathŠusern und Parlamenten, auf seinen Hohen Schulen triumphieren nicht mehr das Kreuz und das Marienbild. Es wollte den Englischen Gru§ nicht mehr beten. Nun will es nicht mehr christlich sein. Das verlorene Abendland muss aber wieder christlich werden. Sache seiner Sturm- und Sto§truppen ist es, die verlorenen Vorwerke wieder zurŸckzuerobern. Eines hei§t Angelus-beten vor aller Welt! Wenn die Angelusglocke lŠutet, Farbe bekennen! Wo immer man ist! Ein Bischof aus dem fernen Osten erzŠhlte, wie seine Neuchristen all Ÿberall, im Zug oder auf dem Marktplatz, auch mitten unter ganz heidnischer Umgebung, mittags um 12 Uhr niederknien und den ãEngel des HerrnÒ beten. Und der Heide Ostasiens findet das selbstverstŠndlich. Konsequent vorgelebtes Christentum imponiert den Heiden. Der mutvoll vor aller Welt gebetete Englische Gru§, das Bekenntnis der wiedererwachten Christenheit muss unsere Losung werden.

Ich habe es im Herbst des vorigen Jahres in Irland erlebt: Beim AngeluslŠuten zu Mittag nahmen O-Busfahrer und O-Busschaffner mit einer SelbstverstŠndlichkeit sondergleichen ihre MŸtze zum Gebet ab und der ganze volle O-Bus wurde still: Betende Menschen in der Hast der Gro§stadt Dublin!

Etwas von dieser katholischen Haltung des katholischen Volkes der Iren sollte auch in uns wieder lebendig werden, nicht zuletzt durch unser persšnliches BemŸhen, den Morgen, den Mittag, den Abend eines jeden Tages dem stillen Gebet zu weihen im Gedenken an das Geheimnis der Menschwerdung Gottes aus Maria der Jungfrau.